Sonntag, 8. Dezember 2013

Carl Gibson, Politische Naivität oder böse Absicht - Interpretationen zu Herta Müllers "Niederungen"-Erzählungen

Foto: Carl Gibson

Fahrt ins Nichts?

Trostlose Landschaft vor Herta Müllers Geburtsort Nitzkydorf im rumänischen Banat


 Politische Naivität oder böse Absicht


Wenn ein Schriftsteller angreift, karikiert und pointiert überzeichnet, verfolgt er immer einen Zweck. Und die Mittel, diesen Zweck zu erlangen, müssen ihm bewusst sein.
Das gilt auch für die kaum eine Seite lange Kurzgeschichte „Das schwäbische Bad“ aus dem schmalen Debüt-Bändchen „Niederungen“.


Um die verheerende Wirkung dieser gezielten Provokation zur Unzeit und am falschen Ort zu veranschaulichen, muss die eine „völkische Bezeichnung“, das Schwäbische, nur durch eine andere völkische Festlegung ersetzt werden, etwa durch „rumänisch“, „russisch“ oder durch eine stigmatisierende Bezeichnung von religiösen oder nichteuropäischen Minderheiten; und schon wird der offensive Hetzcharakter der Kleinsterzählung deutlich.
Nicht ein Individuum wird da verhöhnt oder ein typisches Milieu, sondern gleich eine ganze Volksgruppe und dahinter ein ganzes Volk.

Ganz egal, ob Herta Müller, das „Deutsche“ überzeichnet und gezielt verhöhnt – wie in der Figaro-Posse oder nur das „Schwäbische“ – und dabei das „Donau-Schwäbische oder das Banat-Schwäbische“ meint:
Sie hetzt mit dieser Vorgehensweise, mit diesem deplatzierten Stil - und sie spaltet! Dies aber zu einer „historischen Unzeit“, nämlich im Todeskampf der deutschen Minderheit im Banat und in Siebenbürgen, die unmittelbar davor stehen, über den forcierten Exodus ihre nationale Identität zu verlieren und ihr physisches Fortbestehen als nationale Minderheit für immer aufgeben zu müssen.
Durch das Einbüßen der spezifischen siebenbürgisch-sächsischen Identität oder der Banater Identität und der Heimat, wird der exponierte Einzelmensch zum Stigmatisierten, der als Gezeichneter mit Integrationsschwierigkeiten zu rechnen hat.
Wer aus Sodom und Gomorra herstammt, hat unter zivilisierten Kulturvölkern einen schweren Stand. Unschuldige werden so getroffen – und in der Bundesrepublik ausgegrenzt. „Das sind diejenigen aus der Trocken-Klo-Landschaft und den „schwäbischen“ Suhlkübel …“
Doch daran dachte die weit vorausschauende Autorin kaum. Sie hatte da noch eine Rechnung offen bei der deutschen Dorfgemeinschaft, die es anders wollte als sie selbst – und dieser Gemeinschaft, an deren Sitten und Gebräuchen sie nur widerwillig eine Weile teilnahm, gezwungen mit einem Kirchweih-Strauß in der Hand um die Bütt Polka zu tanzen, wollte sie es nun heimzahlen, indem sie das „Schwäbische“ an sich verunglimpfte, den Schiller und den Hegel, den Uhland und den Hauff, wie auch das Deutsche mit seinem Wesen, an dem einst die Welt genesen sollte.
Jeder kehre vor seiner eigenen Tür“ 
las ich an der Pforte eines freisinnigen Rottweilers, der mit dem weisen Spruch vielleicht noch etwas mittelalterlichen Anstand in unsere heuchlerische Zeit herüber retten wollte.
Herta Müller, von Kind auf mit harter Arbeit vertraut, griff zu einem eisernen Besen und fegte vor der Tür ihres etwas aus den Fugen geraten Hauses – doch wie der Zauberlehrling in Goethes Ballade fegte sie wilder und wilder werdend auch den Kuhstall, den Saustall , dann über den eigenen Hof hinaus noch die Gasse, das ganze Dorf, ja die ganze Region … und selbst die Nation, wenn ihr kein Hexenmeister Einhalt gebietet. Was die Heilige Johanna nicht schaffte, das schafft vielleicht noch Herta Müller! Wäre es auch anders gegangen?

Mit Sicherheit! Wer die als spießig empfundene Welt der Kleinbürger missbilligte, konnte frei wegtreten und jene kleine Welt sich selbst überlassen, ohne ihre Menschen zu verunsichern, zu trennen, zu spalten und über Jahrzehnte gegeneinander aufzubringen und revanchistischem Hass das Wort zu reden.
So etwa habe ich es seinerzeit gehalten – und als ich mich leise von der Dorfwelt verabschiedet, um eine eigene Bahn zu schreiten. Als ich damals schied, in natürlicher Wegentwicklung, ging ich ohne Zäsur, ohne Zorn und ohne andere mit dem Schmutz zu bewerfen, den die eigene unbefriedete Seele ausgebildet hatte.

Herta Müller lieferte mit dem Tenor ihres Debütbändchens, dass gewissen Kreisen in der Bundesrepublik ins politische Konzept passte, eine gute Vorlage, um instrumentalisiert zu werden und um über dieses – wie man früher zu sagen pflegte „Mach-Werk“ – eine Diskreditierungskampagne gegen konservative Kreise in der Bundesrepublik loszutreten. Schließlich war alles, was das konservative Lager um CSU-Chef Strauß und CDU-Zugpferd Kohl schadete, legitim. Machiavelli hatte es so vorgesehen – und die literarische Landschaft lieferte die Mittel dazu.
Herta Müller wurde bekannt; bekannt als eine Schriftstellerin, die polarisiert, die Gräben aufreißt und die Menschen gegeneinander aufbringt.
Heute, 25 Jahre nach dem Erscheinen ihres Pamphlets gegen die deutschen Landsleute, ist der erhobene Vorwurf, die Vereinnahmung und Instrumentalisierung durch Dritte voll akzeptiert zu haben, ohne sich je von der verhängnisvollen Botschaft der Hetze und Spaltung zu distanzieren, immer noch legitim.
Sie hat die öffentlichen Preisgelder in nicht unerheblicher Höhe genutzt, um weiter zu denunzieren und zu trennen, statt zu versöhnen.
Dieses negative Prinzip sanktioniert und sogar noch prämiert zu haben, ist der große politische Fehler gerade der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Es wird auch noch zu überprüfen sein, ob bestimmte Meriten nicht durch das Verschweigen erheblicher Tatsachen erschlichen wurden. Sollte dies der Fall sein, sollte Herta Müller etwa eine langjährige Mitgliedschaft in der Rumänischen Kommunistischen Partei verschwiegen haben, dann hat die Autorin jede politische und moralische Integrität eingebüßt – und ist als öffentliche Respektsperson und als Kandidatin der Bundesrepublik Deutschland für den Literatur-Nobelpreis nicht mehr tragbar.






Aus:

Carl Gibson,

„Die Zeit der Chamäleons“ -


Aphorismen, Reflexionen, Maximen, Sentenzen, Ideen, Essays

zur Literatur, Philosophie und Geistesgeschichte und Kritisches zum Zeitgeschehen


Motto:



Zum Sinn der Philosophie heute

Philosophen sollen reden und schreiben,
Philosophen sollen Fragen aufwerfen und Antworten anbieten,
sonst ist ihr Denken umsonst!
Das – sprichwörtliche – Schweigen der Philosophen ist ein Irrweg, 
denn es verhüllt die Wahrheit und billigt die Lüge.

Das Schweigen der Denker nützt nur den Mächtigen.





 

Mehr zur "Philosophie" von Carl Gibson
in seinem zweibändigen Hauptwerk:

speziell in:

"Symphonie der Freiheit", (2008)
sowie in dem jüngst erschienenen

"Allein in der Revolte.

Eine Jugend im Banat", (2013)






 Philosoph und Zeitkritiker Carl Gibson

Weitere Aphorismen, Reflexionen, Maximen, Sentenzen, Ideen und Essays werden auf diesem Blog folgen.



© Carl Gibson
Fotos von Carl Gibson: Monika Nickel

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